Wolf Biermann über Helmuth Schmidt
„Beide kamen wir aus dem Westen in die DDR, und beide sind wir dabei womöglich östlicher geworden als die eingeborenen Ur-Ossis, wir nämlich waren freiwillig in diesem falschen Paradies.“
Helmuth Schmidt – tja, so heißt er nun mal. Als dieser Mann mich vor etlichen Jahren nach einem meiner Konzerte ansprach und seinen Namen nannte, dachte ich, das sollte eine kleine Politblödelei sein. Solch ein Helmuth mit „th” fehlte mir gerade noch. Seit ich diesen Sommer 2005 das Buchmanuskript mit dem Bericht über seine Erfahrungen als Häftling in den Jahren 1976, 1977 und 1978 las, kann ich ohne alle Übertreibung sagen: gerade dieser unberühmte Schmidt fehlte mir wahrhaftig noch in meinem privaten Pantheon tapferer Menschen. Seine Vita liest sich streckenweise so, als ob ich in einen zerbrochenen Spiegel starre: verwirrende Ähnlichkeiten, entwirrende Unterschiede. Ich entdecke in seinem Schicksal verfremdet mein eigenes, sehe also mit neuem Blick auch meine eigene Lebensgeschichte. Beide kamen wir aus dem Westen in die DDR, und beide sind wir dabei womöglich östlicher geworden als die eingeborenen Ur-Ossis, wir nämlich waren freiwillig in diesem falschen Paradies.