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Sowjetisches Untersuchungsgefängnis
1945 – 1953

Am 2. Mai 1945 besetzten amerikanische Truppen kampflos die mecklenburgische Lan­deshauptstadt. Einen Monat später übergaben sie diese der britischen Besatzungsmacht, bevor am 1. Juli 1945 die Rote Armee in Schwerin einzog. Von nun an waren Massenverhaf­tungen und Scheinprozesse gegen tatsächliche oder vermutete politische Gegner an der Tagesordnung. 

Davon betroffen waren häufig Jugendliche, die der Zugehörigkeit zur nationalsozialisti­schen Untergrundorganisation »Werwolf« bezichtigt wurden. Wie die gängige Verhaf­tungspraxis zeigt, erwies sich dieser Verhaftungsgrund als zweitrangig. Ausschlaggebend war vielmehr eine vermutete oder erwiesene Gegnerschaft gegen die Besatzungsmacht. 

Zum Zwecke der Isolierung und Ausschaltung nationalsozialistischer und »konterrevoluti­onärer Elemente« wurden so genannte »Speziallager« eingerichtet, so u.a. das »Spezial­lager Nr. 9« auf dem Gelände des ehemaligen Gutshofes Fünfeichen bei Neubranden­burg. Bis zum November 1948 sollen in Fünfeichen etwa 15.000 nichtverurteilte Häftlinge eingeliefert worden sein. Davon starben ca. 5.000 an Hunger und Seuchen. Weitere 5.000 wurde in andere Lager der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) deportiert und ebenso viele wieder entlassen. 

Eine besondere Rolle spielte auch das Sowjetische Militärtribunal (SMT) am Schweriner Demmlerplatz. Bis zum Herbst 1946 waren die SMT auf der Ebene der stationierten Trup­penteile sowie einzelner Garnisonen tätig. Gewöhnlich bestanden sie aus einem Militär­richter als Vorsitzenden und zwei Militärschöffen als Beisitzer. Am 5. September 1946 wurden zusätzliche SMT bei der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD ) und deren Landes- und Provinzialverwaltungen geschaffen. Als oberste Aufsichtsbe­hörde fungierte das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR mit Sitz in Mos­kau. Eine völkerrechtliche Grundlage für die Tätigkeit der SMT in Deutschland bestand nur insoweit, als dass sie berechtigt waren, Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzuurteilen sowie Handlungen, die gegen die Alliierten gerichtet waren oder auf die Wiederherstellung des NS-Regimes zielten, zu ahnden. 

Auf die etwa 35.000 deutschen Zivilsten, die zwischen 1945 und 1955 in der SBZ verur­teilt worden waren, trafen diese Verurteilungsgründe allenfalls in geringer Zahl zu. Unter den Angeklagten befanden sich vor allem Personen, die eines Vergehens bezichtigt wur­den, welches das damals geltende deutsche Strafrecht gar nicht kannte: das des »kon­terrevolutionären Verbrechens«. Der Kreis der Verurteilten umfasste u.a. Sozialdemo­kraten, die Gegner oder Kritiker der Zwangsvereinigung waren, unbotmäßige Christ- und Liberaldemokraten sowie Schüler und Studenten, die ihrem Unmut über die zunehmende Stalinisierung der Gesellschaft Ausdruck verliehen. 

Unter den SMT-Opfern befanden sich aber auch zahlreiche Menschen, die aufgrund ab­surder Verdächtigungen und Denunziationen in die Mühlen der sowjetischen Militärjustiz geraten waren. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang das Schicksal des Theologen und ersten Nachkriegsrektors der Greifswalder Universität Ernst Lohmeyer, der am 28. Au­gust 1946 wegen angeblicher Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurde.

Die Grundlage der »Rechtsprechung« der SMT bildete vor allem der Paragraf 58 des rus­sischen Strafgesetzbuches, der völlig dehnbare Straftatbestände enthielt. Das übliche Strafmaß belief sich auf 25 Jahre Zwangsarbeit, die entweder in einen Speziallager auf deutschem Boden oder einem »Besserungsarbeitslager« des GULAG‑Systems innerhalb der Sowjetunion abzuleisten waren. 

Nach der Wiedereinführung der Todesstrafe am 12. Januar 1950 wurden diese in etlichen Fällen verhängt. Bekannt geworden ist vor allem das Schicksal des Rostocker Studenten Arno Esch, der am 20. Juli 1950 zum Tode verurteilt wurde. 

Ende des Jahres 1951 legte die sowjetische Partei- und Staatsführung den Kompetenz­bereich der Tribunale neu fest. Fortan sollten sie sich nur noch mit Delikten befassen, die gegen die UdSSR, ihre Bürger oder ihr Eigentum gerichtet waren. Nach Abschluss des bilateralen Vertrages über die Beziehungen der DDR und der UdSSR vom 29. September 1955 wurde die Rechtsprechung sowjetischer Gerichte gegen deutsche Bürger offiziell beendet.