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NS-Justiz
1933 – 1945

Bereits bei den Landtagswahlen im Juni 1932 gelangte die NSDAP in Mecklenburg an die Macht. Während sie diese im Strelitzer Landesteil noch mit der Deutschnationalen Volkspartei teilen musste, avancierte sie in Schwerin zur alleinigen Regierungspartei. 

Im Zuge der nach 1933 eingeleiteten »Gleichschaltung« der Länder erfolgte 1935 die »Verreichlichung« der Justizverwaltung. Zu Jahresbeginn wurden die zuständigen Justiz­ministerien der Länder aufgelöst. Ihre Aufgaben übernahm fortan das Reichsministerium der Justiz. Das Oberlandesgericht in Rostock und die ebenfalls dort ansässige General­staatsanwaltschaft fungierten nur noch als Außenstellen des Berliner Ministeriums. Wich­tige Ämter des Justizapparates wurden fortan mit zuverlässigen Gefolgsleuten der Nationalsozialisten besetzt. 

»Recht ist was dem Volke nützt« – unter diesem Schlagwort wurde das gesamte Recht zur Durchsetzung der NS -Ideologie instrumentalisiert. Das überlieferte Strafrecht wurde zum »Kampfrecht« ausgestaltet. Das Strafgesetzbuch ergänzte man durch eine Flut neuer Gesetze, Verordnungen und »Führererlasse«, die eindeutig nationalsozialistischen Charakter trugen. Auf dem Verordnungswege ließ die Reichsregierung in jedem der 26 Oberlandesgerichtsbezirke ein »Sondergericht« errichten, um so genannte »Heimtücke­sachen« im Schnellverfahren und ohne Berufungsmöglichkeit aburteilen zu können. Im Oberlandesgerichtsbezirk Rostock wurde die mit drei politisch zuverlässigen Berufsrich­tern besetzte Kammer dem Landgericht Schwerin angegliedert. 

Ab 1938 wurde die Sondergerichtsbarkeit auch auf unpolitische Schwerverbrechen aus­geweitet. Während des Krieges kamen sogar geringe Vergehen hinzu, sofern der zustän­dige Staatsanwalt der Meinung war, »daß durch die Tat die öffentliche Ordnung und Si­cherheit besonders schwer gefährdet wurde«. Um die dadurch bedingte Erhöhung des Straftatenanfalls zu bewältigen, wurde die Einrichtung zusätzlicher Sondergerichte ge­stattet, so u.a. auch in Rostock. In erster Linie fungierten die Sondergerichte als »Maul­korb des kleinen Mannes«. Unabhängig davon, dass die meisten der hier verhandelten Strafsachen völlig unpolitisch motiviert und spontaner Natur waren, entfalteten alle Fälle von Abweichung und Verweigerung dennoch eine objektive politische Wirkung: Sie setz­ten dem Herrschaftsanspruch des Regimes insofern Grenzen, als dass sie den von ihnen angestrebten Typus des innerlich überzeugten »Volksgenossen« als eine bloße Wunsch­vorstellung entlarvten. 

Neben zahllosen Einzelfällen, die auf dem Tisch der Sonderrichter landeten, gab es auch in Mecklenburg bemerkenswerte Belege kollektiven Ungehorsams. Hervorgehoben seien der Schweriner »Pastoren-Prozess« im Juni 1934 gegen sieben Amtsträger der evangeli­schen Landeskirche sowie eine ganze Serie von »Bibelforscherprozessen« gegen Angehö­rige der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas im Jahre 1937. 

Die Drangsalierung und Diskriminierung der Juden nach den »Nürnberger Rassegeset­zen« von 1935 schlug sich auch in zahlreichen Urteilen der so genannten ordentlichen Gerichtsbarkeit nieder. Das juristische Vorgehen gegen den »rassenpolitischen Haupt­feind« ordnete sich ein in das gesamte Spektrum der Diffamierung, Isolierung, Vertrei­bung und Vernichtung der deutschen Juden. Verwiesen sei insbesondere auf das Schick­sal des Schweriner Kaufmanns Walter Ladewig, der 1938 zunächst wegen »Rassen­schande« zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt und von dort aus am 10. Juni 1942 nach Auschwitz deportiert wurde. 

Ein weiteres düsteres Kapitel der Schweriner Justizgeschichte waren die Zwangssterili­sierungen, die auf Grund des am 14. Juli 1933 erlassenen »Gesetzes zur Verhütung erb­kranken Nachwuchses « vorgenommen wurden. Davon betroffen waren Menschen, die aufgrund einer vererbbaren Krankheit oder ihrer Zugehörigkeit zu einer als unerwünscht geltenden Bevölkerungsgruppe als »belastet« galten. Für die Umsetzung des Gesetzes im Landgerichtsbezirk Schwerin war das dem Amtsgericht angegliederte »Erbgesundheits­gericht« verantwortlich. Neben einem vorsitzenden Richter bestand es aus einem beam­teten und einem nichtbeamteten Arzt. 

Auf der Grundlage politischer und »rassischer« Kriterien traf auch das ebenfalls zum Amtsgericht zählende »Anerbengericht« seine Entscheidungen. Indem es den Eigentü­mern so genannter Erbhöfe attestierte, »bauernfähig«, d.h. »deutsch«, »arisch« und »ehrbar« zu sein, hatte es maßgeblichen Anteil an der nationalsozialistischen »Blut- und Boden-Politik« in der Landwirtschaft. 

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erreichten Terror und Verfolgung ein bisher nicht gekanntes Ausmaß. Dies zeigt sich in dem sprunghaften Anwachsen der Fälle von »Defaitismus«, »Heimtücke«, »Rundfunkverbrechen«, »Volksschädlingstätigkeit« oder »Feindbegünstigung«, die vor allem in die Zuständigkeit der Sondergerichte fielen. Ebenso nahm die Zahl der von der Justiz verhängten Todesurteile stetig zu.